Nachträgliche Rechnungsberichtigung

1. Nachträgliche Rechnungsberichtigung mit umsatzsteuerlicher Wirkung. Es gibt „ernstliche Zweifel“

Der BFH hat mit seinem Beschluss vom 20. 7. 2012 (V B 82/11) ernstliche Zweifel daran angemeldet, dass der Vorsteuerabzug aus einer zunächst fehlerhaften Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn diese Rechnung später berichtigt wird und die zunächst ausgestellte Rechnung die Mindestanforderungen nach §§ 14, 14a UStG enthält. Dies sind die Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer.

Der BFH thematisiert erstmals, ob und inwieweit eine mangelhafte Rechnung mit Rückwirkung nachgebessert werden kann. Das wurde von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung bisher strikt versagt.

Welcher Steuerpflichtige erinnert sich nicht an steuerliche Außenprüfungen, in deren Ergebnis Vorsteuerabzugsbeträge nur deshalb zurückgefordert wurden, weil Eingangsrechnungen formale Mängel hatten. Mit diesem Beschluss ist die nachträgliche Rechnungsberichtigung noch nicht möglich. Es besteht aber für betroffene Steuerpflichtige die berechtigte Hoffnung, dass das Verfahren ausgesetzt und zurückgeforderte Vorsteuern doch nicht an das Finanzamt gezahlt werden müssen.

 

2. Investitionsabzug nach § 7g Abs. 1 EStG entfällt bei einem Einsatz des Wirtschaftsgutes in „anderen Betrieben“ des Steuerpflichtigen

Nach § 7 g Abs. 1 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich zu nutzen.

Gegenstand der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des FG Niedersachsen (Urteil v. 3. 11. 2011 – 11 K 435/10; Revision zugelassen) war die Klage eines Landwirtes, der neben seinem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch ein Lohnunternehmen betrieb. Ein im Lohnunternehmen angeschaffter Mähdrescher kam zu ca. 80 % in diesem Unternehmen zum Einsatz und zu ca. 20 % im landwirtschaftlichen Berieb. Inhaber beider Betriebe war der Landwirt.

Das Finanzgericht versagte den Investitionsabzug, weil der Mähdrescher nicht zu mindestens 90 % im Lohnunternehmen, sondern zu 20 % an den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb vermietet worden war. Das Finanzgericht ließ nicht die analoge Argumentation der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung zu. In diesen Fällen wird der Investitionsabzug für die Besitzgesellschaft ausnahmsweise zugelassen, obwohl das Wirtschaftsgut an die Betriebsgesellschaft, also eine andere Gesellschaft des Unternehmers, vermietet wird.

Man wird sehen, wie der BFH in dieser Sache entscheidet.

3. Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken

Mehrfach habe ich an dieser Stelle bereits auf den sehr unerfreulichen Tatbestand der unklaren Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken berichtet. Je nach Betrachtungsweise resultierten daraus 7 % oder aber 19 % Umsatzsteuer. Wenn die steuerliche Außenprüfung für einen BP- Zeitraum von mehreren Jahren auf alle Umsatzerlöse 19 % statt 7 % rechnet, können in großen Betrieben u. U. Millionenbeträge an nachgeforderter Umsatzsteuer zusammenkommen. Für große Caterer kann eine solche Nachforderung bestandsgefährdend sein. Dass es Unternehmen mit einem so großen Leistungsumfang gibt, sollte jedem Bürger spätestens nach dem Rummel um die Probleme mit Essenlieferungen der Sodexo SCS klar geworden sein, die nach eigenen Angaben täglich 200 000 Essen in rund 2000 Schulen und Kindertagesstätten ausliefert – eines von vielen Caterern, die täglich Schulen, Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Kindertagesstätten usw. beliefern.

Am 1. 8. 2012 hat das BMF den lange erwarteten Entwurf eines Erlasses zur Abgrenzung der beiden Sachverhalte veröffentlicht (IV D 2 – 7100/07/10050-04).

Nach meiner Einschätzung enthält der Text einen klaren Fortschritt hinsichtlich der Beurteilung von Einzelsachverhalten und erhöht damit die Rechtsicherheit. Für viele der denkbaren Sachverhalte wird an Fallbeispielen erläutert, ob der ermäßigte oder der Regelsteuersatz anzuwenden ist.

Es ist erfreulich festzustellen, dass die Komplexität der Zubereitung von Speisen kein Indiz mehr für die Annahme des Überwiegens des Dienstleistungscharakters ist. Demnach wird eindeutig auch die Abgabe von höherwertigen Speisen mit 7 % besteuert, wenn keine weiteren schädlichen Dienstleistungen vom Lieferanten erbracht werden. Das ist gut.

Wünschenswert wäre aber auch eine Klarstellung zu Abschnitt 3.6. Abs. 5 UStAE-Entwurf. Dort wird jetzt ausgeführt, dass zusätzliche Dienstleitungselemente, die von einem „Dritten“ erbracht werden, grundsätzlich nicht dem Speiselieferanten zuzurechnen sind. Das ist sehr zu begrüßen. Es sollte jedoch deutlich gemacht werden, wer „Dritter“ in diesem Sinn ist. Als „Dritte“ müssen auch rechtlich selbständige Unternehmen einer Unternehmensgruppe gelten, die selbstständig am Markt tätig sind. Der Erlass sollte deshalb klarstellen, dass es nur in einem sogenannten „Missbrauchsfall“ (§ 42 AO) zur schädlichen Zurechnung der weiteren Dienstleistungen zur Essenslieferung kommt und damit 19 % USt fällig werden. Da ich mich bereits in der Diskussion mit einem steuerlichen Außenprüfer über genau diesen Punkt befinde, halte ich die Klarstellung für erforderlich.

Natürlich ließe sich die Liste von Verbesserungsvorschlägen noch erweitern. Im Abs. 6 fehlen bei der Nennung verschiedener Einrichtungen z.B. Kindertagesstätten und Altenpflegeheime.

Um Sicherheit in der Besteuerung dieser Unternehmensleistungen zu erhalten, ist die baldige Verabschiedung dieses Erlasses von besonderer Dringlichkeit. Allerdings lässt sich mit dem Entwurf schon jetzt trefflich in laufenden Verfahren argumentieren. Insbesondere mit dem Schlusssatz des Entwurfes. Danach soll nicht beanstandet werden, wenn sich ein Steuerpflichtiger auch für früher ausgeführte Umsätze auf eine nach diesem neuen Schreiben günstigere Besteuerung beruft.