Neue Regeln für die Handelsbilanz

Seit November 2007 liegt ein Referentenentwurf des neuen Bilanzrecht-Modernisierungsgesetzes (BilMoG) vor. Die geplanten Regeln für die Handelsbilanz haben nicht direkt etwas mit dem Steuerrecht zu tun. Dennoch möchte ich diese ansprechen, weil einerseits die Handelsbilanz die Bemessungsgrundlage für die Steuerermittlung darstellt und andererseits alle Kaufleute bis auf Kleinstunternehmen diese Regeln zu beachten haben. Es geht uns also alle an.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass seit Februar 2007 von IASB (International Accounting Standards Board) ein Entwurf der „IAFS light“ für Small-and Mediumsized Entities (SMSE) vorliegt. Die dort festgelegten Regeln sollen für all diejenigen Unternehmen gelten, die die „Normal IFRS“ nicht zu beachten haben. Dies sind alle Unternehmen, die nicht börsennotiert sind. Diese light-Version wird von deutschen Unternehmen überwiegend als zu komplex und nicht hinreichend auf die Bedürfnisse der kleinen und mittelgroßen Unternehmen zugeschnitten angesehen. Deshalb ist es gut, dass das europäische Parlament kürzlich in Straßburg mit großer Mehrheit beschlossen hat, dass die europäischen Klein-und Mittelbetriebe keinen Bedarf für die Einführung der IFRS haben und sie deshalb nicht anwenden müssen (vgl. FAZ v. 29.04.2008).

Da kommt der Gesetzesentwurf zum BilMoG gerade recht. Die Modernisierung des HGB durch das BilMoG erfolgt durch eine Annäherung an die IFRS. Es werden zum Teil Ansatz-und Bewertungsregeln der IFRS übernommen, die wir handelsrechtlich bisher so nicht kennen. Beispiele dafür sind:

-Aktivierungsgebot für Entwicklungskosten -Aktivierungspflicht für erworbene Firmenwerte -Erfassung latenter Steuer nach dem sogenannten Temporary-Konzept, verbunden

mit einer Aktivierungspflicht für aktive latente Steuern -die erfolgswirksame Bewertung von zu Handelszwecken erworbenen

Finanzinstrumente zum beizulegenden Zeitwert -Verbot der Aktivierung von Ingangsetzungs-und Erweiterungsaufwendungen -Passivierung von Aufwandsrückstellungen und Bewertung von

Vermögensgegenständen zu Teilkosten -Rückstellungsbewertung zum Erfüllungsbetrag

Vor dem Hintergrund dieser neuen Regeln soll die Handelsbilanz weiterhin Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung bleiben. Allerdings soll die umgekehrte Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz entfallen. Nach dieser Vorschrift kann derzeit ein Steuerpflichtiger bestimmte steuerlich zulässige Instrumente nur dann nutzen, wenn er in der Handelsbilanz gleichlautend bucht. Dies betrifft z.B. die 6b-Rücklage oder die Ersatzbeschaffungsrücklage. Diese Vorschriften würden der Informationsfunktion eines Jahresabschlusses vollständig zuwiderlaufen und sind deswegen zukünftig wohl nicht mehr zulässig. Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob der Steuergesetzgeber durch steuerliche Sondervorschriften weitere Abweichungen zwischen Handels-und Steuerbilanz regelt.

Dies ist auch deswegen zu erwarten, weil der Referentenentwurf einige Durchbrechungen bisher anerkannter handelsrechtlicher Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GOB) vorsieht. Der Ansatz von zu Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert führt dazu, dass neben realisierten Erträgen auch realisierbare Erträge vereinnahmt werden müssen. Auch der Grundsatz der Einzelbewertung wird aufgeweicht, der bisher die ergebnismäßige Erfassung von Wertminderungen eines einzelnen Vermögensgegenstandes vorschreibt und die Saldierung mit Wertsteigerung bei anderen Vermögensgegenständen verbietet. Während bisher lediglich in ganz eingeschränktem Umfang Bewertungseinheiten zugelassen werden, z. B. bei der Besicherung von Fremdwährungsverbindlichkeiten sieht der Gesetzesentwurf die Zusammenfassung bestimmter Vermögensgegenstände des Anlagevermögens für Zwecke eines Wertminderungstestes (Impairment Test) vor.Ähnliches gilt für die Saldierung von Vermögensgegenständen und Schulden, soweit die Vermögensgegenstände ausschließlich der Erfüllung dieser Schulden dienen. Man muss kein Prophet sein, wenn man annimmt, dass gerade die beiden letztgenannten Grundsätze für die steuerliche Gewinnermittlung von erheblicher Bedeutung sind und deswegen wohl nicht aufgeweicht werden. Hier wird es dann zwangsläufig zu Abweichungen zwischen Handels-und Steuerbilanz kommen.

Ziel des BilMoG ist auch, die Unternehmen von unnötigen Kosten zu entlasten. Ob dies tatsächlich so sein wird, ist von individuellen Umständen des Einzelfalles und der Betrachtungsweise abhängig. Im Vergleich mit den teilweise sehr komplexen Anforderungen der IFRS sind die geplanten HGB-Regelungen verhältnismäßig einfach und überschaubar. Gegenüber dem geltenden Recht hingegen steigen mit Einführung des BilMoG in den meisten Unternehmen die Anforderungen an das Rechnungswesen, somit auch die Kosten. In diesem Zusammenhang muss man an die zwingende Erfassung aktiver und passiver Steuerlatenzen denken, an Aufschreibungen zur Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände und auch an die von den steuerlichen Regeln abweichende am durchschnittlichen Marktzins orientierte Bewertung der Pensionsrückstellungen. Darüber hinaus sind zahlreiche Anhangangaben erforderlich, für die Unterlagen aufzubereiten und vorzuhalten sind.

Dies alles trifft nicht für sogenannte Kleinstunternehmen zu, d. a. Dies sind Unternehmen mit Umsätzen bis zu € 500.000,00 und bis zu € 50.000,00 Jahresüberschuss in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Diese Unternehmen sollen zukünftig gänzlich von der handelsrechtlichen Buchführungs-und Bilanzierungspflicht befreit werden.

Das modernisierte Handelsrecht soll nach dem Referentenentwurf für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2008 beginnen, Geltung erlangen. Sie sollten sich also bereits jetzt Gedanken darüber machen, wie Sie den Anforderungen des modernisierten HGB gerecht werden wollen. Ich empfehle Ihnen dringend, sich noch in diesem Jahr mit Ihrem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater darüber abzustimmen.